Wir freuen uns, zwei wegweisende Urteile des UN-Ausschusses zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) bekannt zu geben: In den von den Rechtsanwältinnen Stephanie Motz und Lea Hungerbühler (AsyLex) geführten Verfahren Z.E. und A.E. gegen die Schweiz sowie K.J. gegen die Schweiz stellte der Ausschuss fest, dass die Schweiz mit der angeordneten Rückführung zweier Überlebender mehrfacher sexualisierter Gewalt nach Griechenland gegen die CEDAW-Konvention verstossen hat.
Beide Beschwerdeführerinnen waren bereits vor ihrer Ankunft in Griechenland Opfer sexualisierter Gewalt geworden, einschliesslich Zwangsheirat mit regelmässiger Vergewaltigung in der Ehe. Im griechischen Flüchtlingslager Moria wurden sie erneut vergewaltigt, ohne dass die eingeschaltete Polizei Ermittlungen einleitete. Zwar wurden sie in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt, erhielten dort jedoch weder Schutz noch medizinische Unterstützung. Aus Angst vor weiterer Gewalt flohen sie in die Schweiz und beantragten Asyl. Anstatt ihre Gesuche materiell zu prüfen, ordneten die Schweizer Behörden ihre Rückführung nach Griechenland an – gestützt auf die Fiktion eines «sicheren Drittstaats».
Der CEDAW-Ausschuss statuiert Verletzungen von Art. 2(c–f), 3 und 12 CEDAW durch die Schweiz aus folgenden Gründen:
Rückführungen in vermeintlich «sichere» Drittstaaten dürfen nur nach einer «trauma-informierten» und gendersensiblen Einzelfallprüfung erfolgen, auch dann, wenn Erfahrungen geschlechtsspezifischer Gewalt erst verspätet offengelegt werden. Mit diesen Entscheiden (sowie einem weiteren in derselben Session) fordert erstmals ein UN-Vertragsorgan ausdrücklich eine «trauma-informierte» Prüfung und setzt damit einen wichtigen Meilenstein im Flüchtlingsschutz.
Das Recht auf Gesundheit (Art. 12 CEDAW) kann ein Überstellungshindernis darstellen: Staaten müssen sicherstellen, dass Überlebende sexualisierter Gewalt im Zielstaat tatsächlich Zugang zu medizinischer und psychologischer Behandlung als notwendige Rehabilitationsmassnahme haben. Damit erhält Art. 12 CEDAW erstmals diese neue, praxisrelevante Dimension, vergleichbar mit Art. 14 CAT, der das Recht auf Rehabilitation nach Folter garantiert.
Der Ausschuss forderte die Schweiz allgemein auf, sicherzustellen, dass geflüchtete Überlebende sexualisierter Gewalt nicht ohne eine «trauma-informierte» und gendersensible Einzelfallprüfung in «sichere Drittstaaten» überstellt werden.
Weitere Informationen: https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/frauen-opfer-von-gewalt